16 . April 2010 München Interview zur “ Grüne Welle in Nürnberg "
Interview zur “ Grünen Welle" mit Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg Dr. Ulrich Maly :
Sie haben über das Kontaktformular der Stadt Nürnberg am 29.01.2009 Fragen zur Grünen Welle in Nürnberg gestellt. Dazu nennen Sie mit München ein aus Ihrer Sicht negatives und mit dem Forschungsprojekt TRAVOLUTION in Ingolstadt positives Beispiel.Zunächst können meine Mitarbeiter in der Verkehrsplanung bei jeder Tagung oder jedem Informationsaustausch mit Kollegen anderer Städte folgendes feststellen: Alle Städte bekommen Klagen von Bürgern die meinen, gerade in dieser Stadt sei die Grüne Welle besonders schlecht während sie in den anderen Städten viel besser sei. Deshalb möchte ich zunächst ein paar kurze Erläuterungen zu Verkehrssteuerung geben und dann auf Ihre Fragen eingehen.Bei vielen Autofahrern steril der Aspekt „Grüne Welle für die Hauptverkehrsstraßen" ganz im Mittelpunkt der Verkehrssteuerung. Wie die Gewichte aber fachlich richtig zu platzieren sind, geben uns u.a. auch die einschlägigen Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA 1992) vor, die vom Bundesministerium und den Landesministerien verbindlich eingeführt worden sind. Ich denke sie treffen damit sehr gut die Bedürfnisse und Interessen aller Bürger. An erster Stelle steht die Verkehrssicherheit. Hierzu stellvertretend nur zwei Aspekte: Es sind Mindestgrünzeilen für alle Verkehrsströme, auch für noch so schwach belastete Seitenstraßen, einzuhalten. Außerdem ist dafür Sorge zu tragen, dass Fußgänger in der Regel in einem Zug nicht nur bis zur Mittelinsel, sondern über die ganze Fahrbahn gehen können,
Der zweite Aspekt ist die Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes. Viele Straßenzüge in großen Städten sind vor allem im Berufsverkehr inzwischen bis an die Belastungsgrenze gefüllt. Dort wo sich Hauptverkehrsstraßen kreuzen wirkt sich das oft so aus, dass Wartezeiten vor der Signalanlage in allen Zufahrten auftreten.Jede Sekunde Veränderung der Rot- bzw. Grünzeiten schiebt dann einen Teil der Überlastung nur von einer Zufahrtsstraße zu einer anderen. Eine wichtige Aufgabe im städtischen Verkehrsnetz ist es deshalb, gezielt auf das An- und Abschwellen der Verkehrsspitzen zu reagieren und die unvermeidbaren Staus sachgerecht abgewogen und „gerecht" zu verteilen. Manchmal ist es dazu nötig, den Verkehr schon an scheinbar „unkritischen" Stellen aufzuhalten, damit im nachfolgenden Straßenabschnitt keine Überlastungen und gegenseitigen Blockaden entstehen können.
Den dritten Aspekt mochte ich mit „ Komfort" überschreiben Ohne ins Detail gehen zu wollen: Jede „absolute" Optimierung für eine Verkehrsteilnehmergruppe, ja bereits für eine bestimmte Fahrtrichtung, führt in der Regel immer zu einer Qualitätsminderung für den Querverkehr, die entgegen kommende Fahrtrichtung oder für andere Verkehrsteilnehmer. Deshalb sind Abwägungen und Kompromisse nötig. Die Grüne Welle ist dabei wiederum nur ein Aspekt unter mehreren. Besonders möchte ich hier auf den Fahrradverkehr und den Bus- und Straßenbahnverkehr verweisen.
Vorrangschaltungen für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) lassen sich ohne „Komfortminderung " im Sinne einer kurzzeitigen Außerkraftsetzung der „Grünen Welle" kaum realisieren. Sie sind aber ein unverzichtbares Hilfsmittel, um die Attraktivität und Leistungsfähigkeit von Bus und Straßenbahn so zu steigern, dass der ÖPNV für die Allgemeinheit bezahlbar bleibt und dass ein freiwilliges Umsteigen stattfinden kann.
Dieser Aspekt leitet auch zum vierten Punkt „Umweltschutz" über. Es gibt nach unserem Kenntnisstand bisher nur Untersuchungen, die die Minimierung des Kraftstoffverbrauchs, der Abgas- und der Lärmemissionen am einzelnen Fahrzeug in Abhängigkeit von der Gleichmäßigkeit des Fahrtverlaufes untersuchen. Diese Werte wurden bei dem Forschungsprojekt TRAVOLUTION angesetzt um daraus die anzunehmende Verbesserungswirkung der Optimierung der Steuerung zu errechnen. Die absoluten Verbrauchs- und Emissionswerte hängen jedoch stark vom individuellen Fahrverhalten und von der Wahl des Fahrzeugs ab. Die prozentuale Einsparung für Fahrzeuge im Zuge einer optimalen Grünen Welle wäre in diesem Rahmen praktisch wirkungslos, vor allem wenn sie zu Mehremissionen bei den Fahrzeugen fuhrt, die dann den daraus resümierenden Qualitätsminderungen ausgesetzt sind.
Diese Überlegungen bestimmen das Handeln der Stadtverwallung bei der Verkehrssteuerung in Nürnberg und sicher auch in allen anderen Städten. Dabei wird das Thema „Grüne Welle" keineswegs vernachlässigt In Nürnberg werden rund 30 Straßenzuge des Hauptverkehrsstraßennetzes in koordinierter Steuerung geschaltet, regelmäßig überarbeitet und angepasst. Eine verkehrsadaptive Netzsteuerung wie in Ingolstadt setzen wir dazu allerdings nicht ein .
Ich bedanke mich für Ihr Schreiben und hoffe, dass ich Ihnen die Schritte der Stadtverwallung auf dem Weg zu einer immer besseren Verkehrssteuerung ausreichend erläutern konnte. „ so OB Dr. Ulrich Maly
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